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Wer schweigt, ist Teil des Problems

Quelle: Sila Noyan

Spiegel, die mitten auf der vollen Fußgängerzone aufgestellt wurden. Man läuft mit seinen vollen Einkaufstüten am Ende einer erfolgreichen Shoppingtour unweigerlich an ihnen vorbei, bleibt stehen und will sich anschauen. Anstatt das eigene Spiegelbild zu sehen, liest man auf den Spiegeln Sprüche, wie „Mode sollte keine Freiheit kosten“, oder „I begged them to kill me“. Vielleicht ist dir aber auch schon der ein oder andere hellblaue Sticker auf dem Campus der Hochschule Darmstadt aufgefallen, auf dem groß „Wer schweigt ist Teil des Problems“, oder „What if it happened to you“ steht.

What if it happened to you ist eine Kampagne der Uyghur Youth, die sich gegen den Genozid an Uiguren in China einsetzt, indem sie Spiegel in den Fußgängerzonen Frankfurts und München aufstellen und so wichtige Aufklärungsarbeit leisten möchten.

Sila und ihre Freundin Esma, die selbst uigurische Wurzeln hat, gründen die Kampagne, nachdem sie merken, dass in Deutschland kaum über die Situation der Uiguren berichtet wird. Gemeinsam mit Freund:innen – die alle aus dem Odenwald, oder aus Darmstadt kommen, oder hier studieren- beschließen sie, dass sie etwas ändern möchten und nicht tatenlos zusehen wollen, wie ein Völkermord von der Welt unter den Teppich gekehrt wird.

Die Uiguren sind eine ethnische Minderheit aus Ostturkestan, welches seit der chinesischen Übernahme Xinjiang heißt. Sie werden eigentlich schon seit den späten 1940er Jahren vom kommunistischen China unterdrückt, vor allem weil die Uiguren muslimisch sind. Ihnen wird von der chinesischen Regierung verboten, ihren Glauben auszuüben, der Besitz eines Gebetsteppichs, oder des Korans können lebensgefährlich werden. Denn: China inhaftiert Uiguren und steckt sie in so genannte „Bildungslager“, die aber eigentlich Umerziehungs- und Arbeitslager sind, in denen sie gequält, gefoltert und getötet werden.

Spiegel für mehr Awareness 

Sie haben eine Idee, wie sie vor allem die jüngeren Generationen auf das Thema aufmerksam machen können: Sticker, Spiegel, Social Media! Jeder schaue sich gerne im Spiegel an sagt Sila und genau das mache sich What if it happened to you zu nutzen: Man schaut sich im Spiegel an und liest „was, wenn es dir passieren würde?“, das solle die Menschen aufrütteln und sie zum Nachdenken bringen. Durch Sticker mit scanbaren QR-Codes, die auf die Website der Kampagne führen, möchten sie die Menschen aufklären. 

Dann ist es endlich so weit: Ihre Freund:innen und sie transportieren gemeinsam die Spiegel und Plakate mit dem Auto vom Odenwald bis nach München.Dort positionieren sie sich dann an dem Stachus: eines der verkehrsreichsten Plätze Europas! „Wir waren super aufgeregt und sehr stolz, weil wir allen zeigen wollten: schaut, schaut, was wir hingekriegt haben! Und es war ein Riesen-Erfolg. Wir konnten sofort sehen, dass sich die Aufrufe unserer Website verdoppelten“ erzählt Sila enthusiastisch mit einem Lächeln auf den Lippen.

3 Gründe, warum die Uiguren erst seit 2019 mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekommen:

Die China Cables: Durch die chinesische Regierung drang jahrelang nichts über die Situation nach außen. 2019 wurden die ersten geheimen Dokumente durch einen anonymen Hacker veröffentlicht, die „China Cables„.Dokumente, die beweisen, dass China das Volk systematisch vernichten will.

Die Xinjiang Police Files:Das erste Mal drangen Bilder an die Öffentlichkeit, die die Polizeigewalt in den Lagern zeigen. Bilder von den gefolterten Menschen dort, aber auch von konfiszierten Gegenständen, wie dem Koran oder Gebetsteppichen.

Der Ürümqi-Brand: In der Hauptstadt von Xinjiang Ürümqi, brach im chinesischen Null-Covid-Lockdown ein Feuer in einem Hochhaus aus. Menschen starben, weil die Feuerwehr durch die Verriegelung der Stadt und ihrer Häuser den Brand nicht rechtzeitig löschen konnten. Das schürte landesweite Proteste gegen Chinas Covid-Politik, aber auch gegen die Unterdrückung der Uiguren.

 

Die Kampagne kommt ins Rollen

Mittlerweile stellt What if it happened to you auf Anfrage Arbeitsmaterialien zu dem Thema für Schulen zur Verfügung. Sila und ihre Freund:innen halten Workshops in Schulen und Unis ab -zum Beispiel an der TU Darmstadt- um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren und Berührungspunkte mit aktivistischer Arbeit zu schaffen. Das motiviere sie, sagt Sila, denn oft haben junge Menschen tolle Ideen, wüssten aber nicht, wo sie anfangen sollen, diese umzusetzen.

Wer sich der Kampagne anschließen möchte, könne die Social Media Accounts kontaktieren, aber eines sei ihr sehr wichtig: „Viele unterschätzen Aktivismus. Man muss da mit Herzblut dabei sein, viel machen, viel Zeit investieren“. Das sei die Voraussetzung, sich bei ihnen zu engagieren. Wer nicht so viel Zeit hat, um sich einer aktivistischen Gruppe anzuschließen, aber den Uiguren trotzdem helfen will, muss nicht untätig bleiben. Was am meisten helfe, sei nicht still zu sein. „Redet so viel ihr könnt darüber, repostet unsere Beiträge auf den sozialen Netzwerken“ sagt sie. 

Denn: Wer still bleibt, ist Teil des Problems.

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