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Armut und Krise

Jung, pleite, verzweifelt?! – Wie geht es eigentlich den jungen Leuten gerade?

Einem Befund der Paritätischen Forschungsstelle zufolge ist rund jeder dritte Studi in Deutschland mit durchschnittlichem Einkommen von 802€ von Armut betroffen. Das meiste Geld davon fließt direkt in die Miete. Und die steigt mit den Verbraucherpreisen, wie man an den Klagen des Mieterbundes zu den steigenden Indexmieten sieht.

Nur 11% aller Studis erhalten aktuell Bafög, und selbst unter ihnen bleibt trotzdem knapp die Hälfte arm. Diese Zahlen sind noch von vor der Inflation, die Preissteigerung dürfte für eine weitere Verarmung gesorgt haben.

Und monatlich grüßt das Kindergeld

„Das Kindergeld hat mir oft den Arsch gerettet“, sagt Vanni. Sie ist 23 Jahre alt und studiert Biotechnologie im vierten Semester. Für ihr Zimmer muss sie 300€ Miete bezahlen. Wenn sie arbeitet, hat sie durch den Job 450€ zur Verfügung. Bafög hat sie beantragt, ihre Eltern können sie finanziell nicht unterstützen. Momentan leidet ihre Psyche darunter, dass ihr kein Geld für ihre sportlichen Hobbys bleibt. Vom Staat fühlt sie sich nicht gesehen, „Jeder Sport sollte subventioniert werden!“.

Hoffnung auf eine bessere finanzielle Situation nach dem Studium hat sie dennoch. 

Dass die Armut während des Studiums nur temporär ist, sollte allerdings kein Argument gegen bessere Hilfen für Studis sein.

Zeit, auf die Straße zu gehen?

In Frankreich sind Studierende schon 2019 auf die Straße gegangen, haben auf ihre Geldsorgen aufmerksam gemacht. 

Damals hat ein 22-Jähriger Student aus Lyon die Proteste ausgelöst, weil er sich angezündete. Er hatte versucht, unter sehr prekären Lebensbedingungen sein Studium der Politikwissenschaft abzuschließen. Seine Bourse, das ist das Bafög ein Frankreich, wurde ihm gestrichen und so blieb er ohne Mittel auf der Strecke. 

„Prekarität ist tödlich – Solidarität lebensnotwendig“

Viele Studierende konnten sich mit der Situation identifizieren und waren der Meinung:

„Wir müssen uns gegen solche Lebensumstände auflehnen, sie bekämpfen. Den meisten um mich herum geht es nicht besser als mir“.

Nach der Gaskrise ist vor der Inflation

Besonders in der aktuellen Zeit ist es wichtig, seine Unzufriedenheit zu zeigen. Ohne Protest keine Veränderung, mit Protesten gewinnt man mediale Aufmerksamkeit. Auch Vanni verfolgt die Nachrichten, und sie lösen große Frustration in ihr aus: „Ich würde auf die Straße gehen!“

Eine große Gruppe in Deutschland geht seit September letztes Jahr gegen die hohen Energiepreise demonstrieren. Viele unter ihnen sind allerdings Reichsbürger oder dem rechten Spektrum zuzuordnen. Sogar Gewerkschaften und Sozialverbände wollten zuerst nicht mitmachen, sondern forderten nur schnellere Kommunikation seitens der Politik. 

Viele andere, nicht-rechte Gruppen sind unregelmäßiger und mit weniger Menschen unterwegs. Es gibt nicht die eine, große Bewegung. Daher wäre es umso wichtiger, sich zu einer solchen zusammenzufinden – abseits der rechten Szene. 

Mindestausbildungsvergütung schützt nicht vor Armut

Auch Azubis müssen auf jeden Cent achten – die gesetzlich verankerte Mindestausbildungsvergütung sichert keinen Wohlstand. Sie besagt, dass Azubis mindestens 585€ monatlich zur Verfügung stehen müssen, sofern sie ihre Ausbildung 2022 begonnen haben. 

Tariflich bezahlte Auszubildende haben mehr Glück: sie haben 2021 durchschnittlich circa 780€ netto monatlich bekommen. 

Der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) findet: Das ist viel zu wenig. Denn die statistische Armutsgrenze in Deutschland liegt bei 1251€ netto.

Daher fordert die DGB-Jugend 80% der tariflichen Ausbildungsvergütung für die Azubis.

Was den Studierenden ihr Bafög, ist den Auszubildenden die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Um die zu bekommen, gibt es aber Vorraussetzungen, z.B. muss ein Azubi zu weit von seinen Eltern entfernt sein, um bei ihnen bleiben zu können.

Wieder bei den Eltern

Malerlehrling Max ist jetzt 20 und während seiner Ausbildung wieder zu seinen Eltern zurückgezogen. „Bei mir ist es finanziell eh jeden Monat schon superknapp. Aber dann habe ich eine Rückzahlung von meinem Energieversorger bekommen, und die war einfach zu viel.“ 

Es ist ein Problem, dass Bildung am Geld scheitert. Egal ob Ausbildung oder Studium, der Erfolg darf nicht von der Unterstützung der Eltern oder starkem Verzicht abhängen. 

In diesem Jahr sollen Betriebe dazu verpflichtet werden, Azubis im ersten Lehrjahr mindestens 620€ Gehalt auszuzahlen. Knapp die Hälfte dessen, was als Armutsgefährdungsgrenze gilt.

Ohne weitere staatliche Hilfe oder Geld von den Eltern kann davon niemand leben.

„Ich möchte später in einem Job arbeiten, der mir Spaß macht, und nicht schauen: ‚Ok, wo gibt es das meiste Gehalt‘. Auch wenn ich natürlich viel lieber wieder ein Wg-Zimmer hätte, bin ich froh, dass ich bei meinen Eltern Unterstützung bekomme“, meint Max.

Wer ist Schuld an der Armut?

Es ist falsch zu sagen: „Die Politik tut leider zu wenig gegen Armut“.  

Es ist schlimmer: die Politik hat lange daran gearbeitet, Sozialleistungen zu kürzen oder flexiblere Arbeitszeitgesetze durchzuprügeln, um das deutsche Kapital zu stärken.

Gerhard Schröder lobte sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos wortwörtlich dafür, einen „der besten Niedriglohnsektoren“ aufgebaut zu haben, „den es in Europa gibt“. Die nachfolgenden Bundesregierungen haben ihn mit HarzIV (Existenzminimum) und Sanktionen (weniger als Existenzminimum) immer weiter verwaltet. Und sie haben durch neoliberale Arbeitsmarktgesetze dafür gesorgt, dass sich Menschen für fast jede Arbeit hergeben müssen, egal wie schlecht sie bezahlt ist. Die Armut ist also bewusst hergestellt.

Hinzu kommt, dass Reallöhne seit längerem und besonders seit der Inflation von der Produktivitätsentwicklung abweichen.

Und dass so viel Geld für Miete abgeht, ist die Schnittstelle des menschlichen Bedürfnisses nach Wohnraum und des kapitalistischen Bedürfnisses nach Rendite. Der Markt ist überfüllt, und die Renditeerwartungen der Wohnkonzerne hoch. 

Fokus muss auf Geld im politischen Sinne gerückt werden

Junge Menschen dürfen sich nicht zu falscher Bescheidenheit erziehen lassen, sich nicht mit den herrschenden Verhältnissen abfinden. Der Fokus muss weg von der rein individualistischen Perspektive, wie jeder mit seinem eigenen Bisschen klarkommt, hin zu Geld im politischen Sinne gerückt werden. Es wurde genug darüber gesprochen, wie man sich sein knappes Einkommen bestmöglich einteilen kann. Das Einkommen muss zum Leben reichen! 

 

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