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Silvesterfeuerwerk: Wird in Darmstadt wieder geböllert?

Vulkanfontänen, Knallfrösche und Raketen – wie der Weihnachtsbaum an Heiligabend, so ist für viele die laute Böllerei und das bunte Feuerwerksspektakel an Silvester nicht wegzudenken. Doch die Meinungen darüber sind gespalten. Zuerst forderte die Deutsche Umwelthilfe ein dauerhaftes Böllerverbot an Silvester. Nun schließt sich auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer dem an. Wie stehen die Darmstädter:innen dazu?

 

Bild: Pixabay

Ein Verbot mit Konsequenzen

Die letzten beiden Silvesternächte zeichneten sich vor allem durch das Verkaufs- und private Böllerverbot, das nur aufgrund der Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ verhängt werden konnte, aus. Das hatte dramatische Folgen für die Pyrotechnik-Branche. Rund 500 Betriebe mit etwa 6000 Mitarbeitern hatten große Verluste zu verzeichnen. FlyFire ist einer dieser Betriebe, der nicht verschont wurde. Der Fachhandel in Pfungstadt ist eine beliebte Anlaufstelle für Feuerwerk im Rhein-Main-Gebiet. Philipp Schecker hat sich mit seiner Firma FlyFire selbstständig gemacht und ist als staatlich geprüfter Pyrotechniker ein Experte auf diesem Gebiet. Nach der Feuerwerksabstinenz freut er sich besonders auf den bevorstehenden Verkauf. „Unsere gesamte Kundschaft war wirklich traurig über das Verbot der letzten beiden Jahre. Im ersten Jahr hatten viele noch ein Verständnis aufgrund der Pandemie und der katastrophalen Lage im Krankenhaus“, sagt der Pyrotechniker. Im zweiten Jahr empfänden seine Kunden das Verbot als sinnlos und seien enttäuscht gewesen. „Dadurch, dass wir eben kein Feuerwerk aushändigen durften, hatten wir beim Silvesterverkauf einen Verlust von 100 Prozent“, erzählt Schecker. Insgesamt habe die Branche nach dem Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) 2020 mit dem Feuerwerksverkauf für Silvester in Deutschland einen vergleichsweise geringen Umsatz in Höhe von rund 20 Millionen Euro erzielt. Im Jahr 2019 gaben die Deutschen noch 122 Millionen Euro für Raketen und Böller aus.

„Ich freue mich wieder auf das Farbspektakel am Himmel.“

In diesem Jahr wird laut Bundesumweltministerium die Entscheidung über ein Böllerverbot in die Hand der Städte und Landkreise gelegt. Damit ist ein Feuerwerk also grundsätzlich wieder erlaubt. Doch nicht alle sind davon begeistert: Viele Städte reagieren mit geplanten Böllerverbotszonen. In Darmstadt dürfen in der Nacht vom 31. Dezember auf den 01. Januar 2023 am Luisenplatz und auf der Mathildenhöhe keine Feuerwerkskörper gezündet werden. Eigentlich liegt es auf der Hand, dass nach all den Krisen der letzten Jahre ein Großteil der Darmstädter wieder auf ein lautes und großes Feuerwerk an Silvester hofft, um in ein neues Jahr zu starten. Laut dem Pyrotechniker ist die Anfrage gestiegen. „Es gibt definitiv wieder einen Ansturm beim Kauf von Feuerwerk. Die Menschen möchten die letzten zwei Jahre nachholen“, sagt Schecker. Doch die Meinungen über das jährliche Feuerwerk gehen nach einer deutschlandweiten Repräsentativbefragung der Verbraucherzentrale Brandenburg weit auseinander: Eine Mehrheit von 53 Prozent sei für ein Verbot von einem Silvesterfeuerwerk, 39 Prozent der Befragten dagegen.

Wie empfinden die Darmstädter:innen ein Verbot? Ist es sinnvoll oder überwiegt die Vorfreude? MeinSechsVier hat nachgefragt:

„Für mich ist das Feuerwerk an Silvester ein Höhepunkt im Jahr. Ich kenne es eben auch nicht anders und bin damit aufgewachsen. Es ist eine Tradition, an der ich hänge und die ich auch nicht missen möchte. Ich freue mich wieder auf das Farbspektakel am Himmel.“

Andreas (50 Jahre) aus Griesheim

„Ich finde Feuerwerk ganz schlimm. Es ist laut und die Leute sprengen sinnlos Geld in die Luft. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Mein Enkelkind wurde auch schon an Silvester von einem Böller im Gesicht getroffen.“

Hermann (67 Jahre) aus Eberstadt

„Mir ist bewusst, dass ein Feuerwerk nicht das Beste für das Klima ist. Aber es gibt sonst keine andere Nacht im Jahr, in der sich so viele Menschen versammeln und gemeinsam anstoßen. Da hat es schon was magisches, wenn der Himmel mit bunten Farben erleuchtet wird. In diesem Moment bekomm ich das Gefühl, dass alle Menschen zusammenhalten, weil jeder in den Himmel schaut. Gerade nach den letzten Krisenjahren finde ich, dass ein Feuerwerk an Silvester dazu gehört.“

Anna (23 Jahre) aus Darmstadt

Hohe Verletzungsgefahr und volle Krankenhäuser

Vor allem das hohe Verletzungspotenzial durch Feuerwerk heizt die Debatte über ein flächendeckendes Verbot weiter an. Dort zeigt Schecker weniger Verständnis: „Es gibt auch eine interessante Auswertung von Ärzten, die belegt, dass die wirklich schlimmen Verletzungen auf illegale Feuerwerkskörper und Böller zurückzuführen sind.“ Laut DGOU-Generalsekretär Dietmar Pennig sind es vor allem Experimente mit Pyrotechnik, das Zünden illegaler Feuerwerkskörper und Alkoholeinfluss, die in der Silvesternacht häufig zu Verbrennungen, Brüche oder auch Verletzungen im Gesicht und Augen führen. „Würde es an Silvester ein Alkoholverbot geben, dann läge wahrscheinlich die Verletzungsrate durch Feuerwerk bei null Prozent“, behauptet Schecker. Jedoch verschärft sich aktuell die Situation in den Krankenhäusern immer mehr zu, da die Zahlen an Patient:innen steigen und gleichzeitig immer mehr Personal ausfällt. Hinzu kommt, dass die Coronazahlen aktuell wieder ansteigen. Innerhalb der letzten Woche lag die 7-Tage-Inzidenz in Darmstadt bei 250,7. Weitere Einlieferungen von Patient:innen mit Verletzungen in der Neujahrsnacht könnte die ohnehin überlasteten Kliniken an ihr Limit bringen.

Weitere Anweisungen zum sicheren Umgang mit Feuerwerk!

„Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub.“

Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) werden jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt. 1.500 Tonnen davon in der Silvesternacht. Das Silvesterfeuerwerk allein mache dabei in Deutschland laut UBA etwa einen Prozent der insgesamt in Deutschland freigesetzten Feinstaubmenge pro Jahr aus. Das bedeutet: In der Silvesternacht ist die Luftbelastung mit Feinstaub vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht. Schecker hat dazu eine ganz klare Meinung: „Klar verursacht das Entzünden von Pyrotechnik Feinstaub. Und nicht gerade wenig. Jedoch gibt es von der DHO diverse Untersuchungen, die belegen, dass die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht unbedenklich ist.“ Der Feinstaub, der durch das Feuerwerk freigesetzt wird, bestehe aus wasserlöslichen Salzen, die von der Luftfeuchtigkeit gebunden werden. Der Feinstaub falle zu Boden und sei am nächsten Tag eigentlich wieder weg. „Die Nebelwolke ist das erste Anzeichen dafür, dass sich der Feinstaub auflöst. Einmal Silvester feiern ist daher gesundheitlich und klimatechnisch unbedenklich“, sagt Schecker. Anders sehe es aber bei dem Feinstaub aus, der zum Beispiel durch Reifenabrieb von Dieselfahrzeugen freigesetzt wird: Laut VPI belaste dieser Feinstaub die Luft 365 Tage im Jahr – mit bedrohlichen Folgen. „Der Staub hängt sich sogar in der Lunge fest und kann zu gesundheitlichen Folgen wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen“, sagt Schecker. „Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Doch so wird es meist in den Medien kommuniziert.“

200 Tonnen Silvesterabfall

Ebenfalls kritisiert wird die große Menge an Müll, die durch Feuerwerk erzeugt wird. Allein in den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main) sammelten kommunalen Entsorger am Neujahrstag rund 200 Tonnen Silvesterabfall ein. Jedoch müsse man laut dem Pyrotechniker bei der Art des Abfalls ganz klar unterscheiden: „Ganz viele verzichten in der Branche bei der Herstellung der Pyrotechnik auf Plastik. Bis auf den Effekt selbst ist alles aus recycelbarem Material.“ Die Menge an Abfällen, die in der Silvesternacht durch die Böller und die Feuerwerkskörper entstehen, seien größtenteils aus wiederverwertbaren Materialien wie Altpapier und Holz.

FunFact:

Eine Pyromould-Batterie (Feuerwerksbatterie) besteht bereits seit 2013 nur aus Pflanzenfasern und natürlicher Stärke.

Ein Brauchtum mit Bedeutung

Nachdem sich die Deutsche Umwelthilfe immer wieder für ein bundesweites Böllerverbot an Silvester ausgesprochen hat, äußerte sich auch der Ärztekammerpräsident  Reinhardt dazu und fordert von Bund und Ländern ein dauerhaftes Böllerverbot an Silvester. Für den Mediziner passe die „ungeregelte Knallerei“ nicht mehr in die Zeit. Feuerwerk sei schlecht für Umwelt und das Klima und führe immer wieder zu schweren Verletzungen. Das sieht Schecker kritisch: „Wir würden uns wünschen, dass sich die Menschen tiefgründiger mit dem Thema auseinandersetzt“, appelliert er. Ein flächendeckendes Verbot würde in Scheckers Augen nur eines bedeuten: „Viele Tausende Arbeitsplätze würden wegfallen. Es ist ein Brauchtum, das seit Jahrtausenden gepflegt wird und damit auch eine Tradition mit großer Bedeutung. Familienbetriebe würden pleite gehen, das wäre sehr traurig.“

Eine sinnvolle Lösung

Verbotszonen in Städten empfände er als geeignete Lösung für die hitzige Debatte: „Überall dort, wo der Sicherheitsabstand von mindestens acht Metern nicht eingehalten werden kann, sollten Verbotszonen eingerichtet werden.“ Das sei nach dem Pyrotechniker sinnvoller als ein flächendeckendes Verbot. Außerdem: „Wenn die Regierung den Menschen legale Sachen verbietet, dann ist die Gefahr größer, dass Menschen sich an illegalem Feuerwerk aus Polen bereichern“, sagt Schecker. Dort sei das Unfallrisiko sehr hoch.

Wusstest du schon:

In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden dürfen weder Raketen gezündet noch geböllert werden.

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